Nach den Faschingsferien konnte ich im Rahmen eines pädagogischen Austauschprogrammes eine Woche lang das Schulsystem in Nordirland kennenlernen. Das Ziel meiner Reise war Larne, eine Kleinstadt an der Ostküste, die auf Grund einer wichtigen Fährverbindung nach Schottland bekannt ist.
Der Schulleiter der High School Doktor Stephen Reid hieß mich mitsamt seiner Familie herzlich willkommen. Er nahm sich am Wochenende die Zeit, mir Wissens- und Sehenswertes in Belfast, wie die Peace Line und Murals (Wandmalereien) zu zeigen, sowie die wunderbare Küstenlandschaft bei Larne zu erleben.
Und wie gestaltet sich ein Schultag in der High School in Larne?
Der größte Unterschied zu unserer Realschule am Judenstein ist wohl die Unterrichtszeit. Der Unterricht beginnt um 9 Uhr und endet um 15:30 Uhr. In der schuleigenen Cafeteria wird zu Mittag gegessen.
Für die Schüler*innen beginnt jede Schulwoche am Montag mit der sogenannten „Assembly“, der Versammlung. Die Juniors (Klassen 8–10) versammelten sich in der multifunktionalen Cafeteria, die anderen Jahrgänge in einem kleinen Auditorium.
Die Assembly der Seniors beinhaltete ein Quiz, einen Hulahoop-Wettbewerb und die Botschaft: es ist wichtig, die eigenen physischen und psychischen Stärken zu fördern und nicht Idolen nachzueifern, sondern sich um sich selbst zu kümmern.
Alle anderen Schultage beginnen mit 20 Minuten mit der Klassenleitung um organisatorische Dinge zu klären und mit Gesprächen in den Tag zu starten.
Für die Lehrkräfte beginnt jeder Schultag gegen 8:30 Uhr gemeinsam im Lehrerzimmer. Neben der persönlichen Begrüßung seitens des Direktors oder Konrektors dient das Zusammenkommen dazu, wichtige Informationen mitzuteilen und sich auszutauschen.
Meine Woche dort
Am ersten Schultag folgte ich der 11. Klasse, was unserer 9. Klasse entspricht, in die Fächer Chemie, Englisch, Geschichte, Physik, Deutsch und Spanisch. In der Deutschstunde beantwortete ich Fragen der Schüler*innen, die sie sich vorher überlegt hatten. Meine Antworten auf Deutsch verstanden sie sehr gut.
Am Dienstag lernte ich die Förderklassen an der High School kennen. Schüler*innen mit besonderen Bedürfnissen sind im Schulalltag integriert und erhalten spezielle Förderstunden. Ich erzählte den Schüler*innen von Deutschland, zeigte Bilder von Regensburg und brachte ihnen erste deutsche Ausdrücke bei: Begrüßungsfloskeln, Kennenlernfragen und Abschiedsgrüße. Es war interessant zu beobachten, wie gut sie die deutsche Aussprache anwenden konnten. Sie meinten, es falle ihnen leichter als Französisch, die erste Fremdsprache in den Schulen. Anschließend war meine zweite Deutschstunde in der Klasse 11L. Regensburg mit seiner Geschichte und seinen Sehenswürdigkeiten war Thema.
Am Mittwoch durfte ich in Musik, im Fremdsprachenunterricht und in Religion hospitieren. Der Religionsunterricht ist dort verpflichtend, aber er ist nicht konfessionell getrennt. Es werden christliche, religionswissenschaftliche und ethische Inhalte vermittelt.
Am Donnerstag hospitierte ich im ACE Centre der High School, das Schüler*innen mit der Diagnose Autismus besuchen. Ich fühlte mich in dieser freundlichen Atmosphäre sehr wohl, in der die Schüler*innen ihren Lerntag weitgehend selbst gestalten. Sie arbeiten fleißig und wollen ihre Aufgaben erledigen. Es gibt nur wenig Druck.
Am Freitag, meinem letzten Schultag in Nordirland, lernte ich die Corran Primary School kennen. Die nordirische Grundschule ist für Kinder von 4–11 Jahren. Die Kinder bleiben dort bis einschließlich der 5. Klasse, bevor sie auf eine weiterführende Schule wechseln.
Was bringt ein solcher Schulbesuch?
Ich finde, es bringt sehr viel, die Chance zu bekommen, ein anderes Schulsystem, Variationen in der Wissensvermittlung vor Ort kennenzulernen, über den eigenen Tellerrand hinaussehen zu dürfen. Der Unterricht ist anders strukturiert, „Hands-on-Mentality“ statt Schulbüchern und Arbeitsheften. Die Schüler*innen lernen gerne und erledigen ihre Aufgaben selbstverständlich, auch ohne dass die Lehrkräfte Anweisungen geben oder streng sein müssen. Insgesamt besteht gegenseitig ein sehr höflicher Umgangston. Dieses partnerschaftliche Miteinander zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen ist wirklich schön zu beobachten. So steht auch das Lob für richtige Antworten im Vordergrund. Mit „good boy“ oder „good girl“ erfuhr man als Schüler*in, dass die Arbeit gut gemacht worden ist.
Mir persönlich gefiel schon immer die Idee einer Schuluniform. Sowohl in der Grundschule als auch in der High School identifizieren sich die Kinder mit ihrer Schule durch die Uniform. Die Schüler*innen tragen ihre Schulkleidung voller Stolz und Selbstverständnis, und es erspart leidige Diskussionen über die Kleiderwahl für den Schultag. Lediglich an Tagen mit Sportunterricht kann man auf die Schuluniform verzichten, man trägt jedoch einheitliche Fitnesskleidung.
Es gibt sogar 25 Schüler*innen an der High School, die sich durch ihren besonderen sozialen Einsatz verdient gemacht haben und somit zu so genannten „Heads of School“ oder „Deputy Heads of School“ aufgestiegen sind. Man erkennt sie an einem gelben Streifen auf dem Revers des Jackets und sie gelten als Vorbilder für andere.
Der Unterrichtsalltag ist dort anders organisiert, denn die Unterrichtsstunden sind in 20-Minuten-Einheiten unterteilt. Man hat also entweder 20, 40 oder 60 Minuten Unterricht im jeweiligen Fach, bevor man zum nächsten Lehrer wechselt. Das vermeidet die gleichzeitige Bewegung aller Schüler*innen auf den Gängen und verringert die Lautstärke im Schulhaus, was in meinen Augen eine deutliche Verbesserung darstellt. Jede*r an unserer Schule kennt das Gedränge in der Aula und die hohe Lautstärke beim Stundenwechsel oder in den Pausen.
Hausaufgaben werden dort über eine App digital erteilt. Die Schüler*innen tragen relativ leichte Schultaschen, denn die Unterrichtsmaterialien bleiben meistens in den Lehrerräumen. So können einerseits die Lehrkräfte die Mappen und Hefte regelmäßig durchsehen und bewerten. Andererseits hat man so als Lehrer*in einen Überblick, in welchem Themenbereich die meisten Probleme liegen, und kann diesen erneut intensiver bearbeiten.
Da jedes Zimmer mit der gleichen Technik ausgestattet ist, arbeiten alle Lehrer*innen einheitlich mit Smartboards. Einige Jahrgänge haben persönliche iPads, durch die schnell und unkompliziert auf digitale Weise Unterrichtsinhalte erarbeitet oder gefestigt werden können.
Mein Wunsch
Zu guter Letzt ist zu hoffen, das der entstandene Kontakt zur Larne High School zu weiteren Projekten führt, die sowohl unserer Schule als auch der Larne High School zu Gute kommen. Ich würde mich freuen, nordirische Schüler*innen und Lehrer*innen in Regensburg begrüßen zu können.