Wir tragen keine Schuld. Wir tragen jedoch Verantwortung.“

Ein Vor­trag des ehe­ma­li­gen Schul­lei­ters Anton Schels zum 80. Jah­res­tag der Reichs­po­grom­nacht in Regensburg

Der 9. Novem­ber ist ein eigen­ar­ti­ges Datum in der deut­schen Geschichte. Immer wieder scheint dieser Tag schick­sal­haft mit den Deut­schen ver­bun­den zu sein. Die Aus­ru­fung der Wei­ma­rer Repu­blik 1918, der Hit­ler­putsch 1923, der Fall der Mauer 1989: alles an einem 9. November.

Anton Schels, der ehe­ma­lige Schul­lei­ter der Real­schule am Juden­stein, ver­weist auf alle diese Daten bereits zu Beginn seines Vor­trags. Auf zwei Tage ver­teilt lau­schen die Zehnt­kläss­ler unse­rer Schule seinen Worten. 1918, 1923, 1989 – alles ent­schei­dende Momente der deut­schen Geschichte des 20. Jahr­hun­derts. Und doch fehlt noch „ein 9. Novem­ber“: jener Mitt­woch des Jahres 1938, in dessen Nacht das Nazi­re­gime in bru­tals­ter Art und Weise gegen die jüdi­sche Bevöl­ke­rung in Deutsch­land vor­ging. Die Zer­stö­rung von Syn­ago­gen, Ver­haf­tun­gen, Demü­ti­gun­gen und Morde, die sich in dieser Nacht ereig­ne­ten, soll­ten nur der Auf­takt sein für den Ver­such der sys­te­ma­ti­schen Aus­rot­tung der Juden.

Anton Schels geht es jedoch nicht aus­schließ­lich um die großen Zusam­men­hänge, die für viele von uns so weit weg erschei­nen. Sein Vor­trag han­delt viel­mehr von den Ereig­nis­sen dieser Nacht in Regens­burg. Schels möchte den Schü­le­rin­nen und Schü­lern nahe­brin­gen, was in dieser Nacht geschah – nicht irgendwo weit weg, son­dern hier, vor unse­rer Haus­tür. Als Mit­glied des Ver­eins „Neue Regens­bur­ger Syn­agoge e.V.“ geht es ihm nicht nur um Auf­klä­rung über die Zer­stö­rung der ehe­ma­li­gen jüdi­schen Syn­agoge am heu­ti­gen Bri­xe­ner Hof oder die Ver­haf­tun­gen und Demü­ti­gun­gen gegen­über den Juden in Regens­burg, son­dern vor allem um die Aus­wir­kun­gen dieser Nacht auf heute. Der Neubau einer adäqua­ten Syn­agoge ist ihm ein Herzenswunsch.

Doch er geht sogar noch dar­über hinaus. Egal ob es um Zer­stö­run­gen kul­tu­rel­ler Sym­bole durch den soge­nann­ten „Isla­mi­schen Staat“ oder Mob­bing an Schu­len geht: Schels ver­knüpft das Heute mit dem Damals. Schels‘ Vor­trag ist auf Aufruf zum per­sön­li­chen Ein­satz für Demo­kra­tie und Tole­ranz. „Ihr habt es in der Hand, wie unser Land in Zukunft aus­sieht“, gibt er den Jugend­li­chen mit, wäh­rend er die Ereig­nisse jener unheil­vol­len Nacht mit Hilfe des Buches Der Novem­ber-Pogrom 1938 und der lange Weg zu einer neuen Syn­agoge von Wal­traud Bier­wirth und Dr. Klaus Him­mel­stein wiedergibt.

Keiner hat das Recht, einen ande­ren zu ernied­ri­gen“, ist wohl einer der zen­tra­len Sätze seines Vor­trags. Das Bedeu­tung des Rechts auf per­sön­li­che Würde und Frei­heit wird an weni­gen Tagen so deut­lich wie bei einem sol­chen Jah­res­tag. Schels geht es nicht nur darum, den Finger zu heben, son­dern um ein Umden­ken vor dem Hin­ter­grund der Gescheh­nisse in Regens­burg und anderswo am 9. Novem­ber 1938: „Keiner von Euch trägt Schuld“, sagt er, „jedoch trägt jeder von Euch Ver­ant­wor­tung, dass so etwas nie mehr geschieht.“