Das Mittelalter – weit mehr als nur Ritter und Burgfräulein

Das Mit­tel­al­ter ist das Zeit­al­ter der Ritter, Fräu­leins, der Kaiser und Könige. Das weiß doch jeder! Man fei­erte herr­li­che Feste, ritt zu Pferde durch die natur­be­las­sene Gegend und erfreute sich an Rit­ter­tur­nie­ren und aus­la­den­den Festmahlen.

Dieses Kli­schee ließe sich in einer übli­chen sieb­ten Klasse ohne Wei­te­res abfra­gen. Auch auf Mit­tel­al­ter­märk­ten und ‑spek­ta­keln wird dieses Ver­ständ­nis des Mit­tel­al­ters ver­kauft. Doch den sieb­ten Klas­sen an der Real­schule am Juden­stein braucht man damit nun nicht mehr kommen. Denn am Wan­der­tag, dem 22. Juli 2014, lern­ten sie im Geschichts­park in Bärnau in der nörd­li­chen Ober­pfalz, ganz nah an der Grenze zur Tsche­chi­schen Repu­blik, das eigent­li­che, wahre Mit­tel­al­ter kennen – am eige­nen Leib.

OLYMPUS DIGITAL CAMERABei unge­müt­li­chem Schmud­del­wet­ter begab man sich von Regens­burg aus auf die Reise in den nörd­li­chen Teil der Ober­pfalz. Dort wurden die knapp 100 Schü­ler von einem leich­ten Nie­sel­re­gen und der Mann­schaft des Geschichts­par­kes Bärnau-Tachov und des Lear­ning Campus in Emp­fang genom­men. Sofort machte man sich daran, den Park zu erkun­den, seine Häuser und Gebäude zu erfor­schen und zu ver­ste­hen, was es bedeu­tete im Mit­tel­al­ter zu leben, wie die ein­fa­chen Leute und Bauern es damals bewerk­stel­lig­ten, sich vor der unbarm­her­zi­gen Natur zu schüt­zen und sich durchs Leben zu schlagen.

Der Geschichts­park Bärnau-Tachov ist ein noch sehr junges archäo­lo­gi­sches Frei­land­mu­seum. Die Besu­cher können den Alltag im Mit­tel­al­ter zwi­schen dem 9. und 13. Jahr­hun­dert, also vom Früh- zum Hoch­mit­tel­al­ter, erkun­den und nach­voll­zie­hen. Dabei geht es den Betrei­bern in keiner Weise darum, das roman­ti­sche Bild des Mit­tel­al­ters zu zeigen, son­dern das Leben der ein­fa­chen, bäu­er­li­chen Bevöl­ke­rung, die schließ­lich über 90 % der dama­li­gen Bevöl­ke­rung ausmachte.

Das Museum zeigt nicht nur, wie es früher gewe­sen sein könnte, son­dern es will die wis­sen­schaft­li­chen Hypo­the­sen über das dama­lige Leben auch expe­ri­men­tell bestä­ti­gen. So erhofft man sich einer­seits Erkennt­nisse über Bau­wei­sen, Mate­ria­lien, Feld­wirt­schaft und die Küche, ande­rer­seits auch Rück­schlüsse über die Gesell­schaft und die Struk­tur der Bevöl­ke­rung. Die Archäo­lo­gie stößt in dieser Hin­sicht schnell an ihre Gren­zen. Man stelle sich ein Puzzle mit 5.000 Teilen vor. Die Archäo­lo­gen können mit ihren Aus­gra­bun­gen wis­sen­schaft­lich fun­dierte Aus­sa­gen über ledig­lich 5 bis 10 Teile machen, den Rest muss man sich auf andere Weise erschlie­ßen. Genau hier setzt das Kon­zept des Muse­ums an.

OLYMPUS DIGITAL CAMERABei nun weit­ge­hend tro­cke­nem Wetter wurden die Schü­ler durch die ver­schie­de­nen Dorf­teile und Häuser geführt, vorbei an ver­schie­de­nen Stäl­len und dem Gehege mit einer klei­nen Schwei­ne­fa­mi­lie. Alles wurde genau und fach­kun­dig in Augen­schein genom­men und die ver­ant­wort­li­chen Führer wurden mit aller­lei inter­es­san­ten Fragen auf die Probe gestellt. Schließ­lich war es an der Zeit, selbst ein wenig „Mit­tel­al­ter” aus­zu­pro­bie­ren. Die Schü­ler übten sich im Schie­ßen mit Pfeil und Bogen, ver­such­ten, Speere auf ein Ziel zu schleu­dern und unter­nah­men erste Fahr­ver­su­che mit einem Ein­baum. Die Erfah­rung, dass Letz­te­res nicht die tro­ckenste aller Fort­be­we­gungs­ar­ten zu Wasser ist, ließ sich dabei nicht ver­mei­den. Doch die nassen Klei­dungs­stü­cke trock­ne­ten zügig in der sich immer häu­fi­ger zei­gen­den Sonne. Die Zeit ver­flog und viel zu schnell musste die Heim­fahrt ange­tre­ten werden.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAEin beson­de­rer Dank geht an die beiden Bus­fah­rer, die die Gruppe gekonnt und orts­kun­dig ans Ziel und zurück pilo­tier­ten, sowie an die Geschichts­leh­rer Frau Welsch, Herrn Her­fell­ner, Herrn Rank und Herrn Zange für die ein­wand­freie Orga­ni­sa­tion des gelun­ge­nen Aus­flu­ges. Sicher war man sich, dass man den Besuch des Geschichts­park Bärnau-Tachov im nächs­ten Jahr wie­der­ho­len wird.

Johan­nes Zange